BGH: Behandelnder Arzt muss Auskunft über die Identität des Samenspenders geben


RSprech neu KopieDer BGH hat sich erst kürzlich wieder mit dem Recht des Kindes auf Auskunft über seine Abstammung befasst. Dieses Recht ist als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlich geschützt, vgl. Art. 2 I iVm 1 I GG. Im Verhältnis zwischen Privatpersonen kann dieses zu einem zivilrechtlichen Anspruch auf Auskunft über die Identität des wahren biologischen Vaters führen. Im konkreten Fall (Az. XII ZR 201/13, Urt. v. 28.1.2015) bejahte der BGH einen Anspruch des Kindes gegen der behandelnden Arzt.

Den Auskunftsanspruch verortet der BGH wie üblich in § 242 BGB in Ermangelung einer besonderen Anspruchsgrundlage. Der zwischen den Eltern und dem behandelnden Arzt geschlossene Behandlungsvertrag stellt einen Vertrag mit Schutzwirkung für das Kind dar, der das Kind berechtigt, auch wenn es nicht direkt Vertragspartner des Behandlungsvertrages ist, direkt gegenüber dem behandelnden Arzt Auskunft über die Identität des Samenspenders zu verlangen. Die Interessen des Arztes an Erfüllung seiner Geheimhaltungspflicht gegenüber dem Samenspender und die Interessen des Samenspenders an Geheimhaltung seiner Identität sieht der BGH in der konkreten Abwägung als nachrangig an.

Die Entscheidung entspricht dem in der  Literatur und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte bereits bislang überwiegend vertretenen und zu befürwortenden Ansatz, dem Kind einen Direktanspruch gegen den behandelnden Arzt zuzugestehen. Das Interesse an Kenntnis der eigenen Abstammung hat für den Einzelnen eine derart wichtige Bedeutung, dass Geheimhaltungsinteressen in der Regel zurücktreten.

Teils wurde in der Rechtsprechung der Behandlungsvertrag sogar als ein echter Vertrag zugunsten des Kindes gem. § 328 BGB charakterisiert. Die Entscheidung des BGH kann nicht als generelle Absage an diese Rechtsprechungslinie verstanden werden. Ob der Behandlungsvertrag als echter Vertrag zugunsten Dritter oder lediglich als Vertrag mit Schutzwirkung anzusehen ist, wird von der Vertragsgestaltung im konkreten Einzelfall abhängen. Der BGH hat es im entschiedenen Fall jedenfalls aufgrund der konkreten Gestaltung abgelehnt einen echten Vertrag zugunsten des Kindes anzunehmen.

Angesichts der vergangene Woche veröffentlichten Entscheidung des BVerfG (besprochen hier im Blog), das den Rückgriff auf Generalklauseln im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bei der Annahme von Auskunftsansprüchen unter gewisse verfassungsrechtliche Vorbehalte gestellt hat, wird auch hier relevant werden, ob eine richterliche Rechtsfortbildung möglich ist. Angesichts der Gewichtung der berührten Interessen des Kindes an Kenntnis seiner Abstammung wird man von einem zulässigen Rückgriff auf § 242 BGB im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ausgehen können. Das BVerfG selbst hat diesem Interesse bereits in anderen Entscheidungen viel Gewicht beigemessen, man wird nach den Kriterien des BVerfG daher von einem weiten Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung ausgehen können, der einen Rückgriff auf § 242 BGB gestattet.

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